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Dr.-Karl-Renner-Gasse

Karl Renner (* 14. Dezember 1870 in Untertannowitz (tschechisch Dolní Dunajovice), Mähren; † 31. Dezember 1950 in Wien) war ein österreichischer sozialdemokratischer Politiker (SDAP, SPÖ) und Jurist. Nach dem Ersten Weltkrieg war er von 1918 bis 1920 als Staatskanzler maßgeblich am Entstehen der Ersten Republik Österreich beteiligt und leitete auch die österreichische Delegation bei den Verhandlungen in Saint-Germain. Von 1920 bis 1934 war Renner Abgeordneter zum Nationalrat und von 1931 bis 1933 dessen 1. Präsident.

Als Österreich als unabhängiger Staat nach dem Zweiten Weltkrieg wiederrichtet wurde, war er als Chef der provisorischen Regierung erneut einer der Hauptakteure. Von 1945 bis 1950 amtierte er als Bundespräsident.

Karl Renner wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Südmähren auf. Er kam als 17. oder 18. Kind seiner Eltern zur Welt, hineingeboren in eine Weinbauernfamilie. Sein Elternhaus wurde als Folge von Kinderreichtum, Agrarkrise und ländlichem Wucher zwangsversteigert und die Familienangehörigen verstreuten sich in die Welt. Während seine Eltern ins Armenhaus ziehen mussten, konnte er das Gymnasium besuchen und maturierte in Nikolsburg (Mikulov) mit Auszeichnung und absolvierte von 1891 bis 1896 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach dem Abschluss des Studiums gelang es ihm, eine definitive Beamtenstelle in der Bibliothek des Reichsrates zu erhalten. Nebenbei engagierte er sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP).

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde Renner 1918 Staatskanzler der Republik Deutschösterreich, den Text zur inoffizielle Hymne „Deutschösterreich, du herrliches Land“ dichtet er selbst. Renner unterzeichnete am 10. September 1919 den Vertrag von Saint-Germain, der am 21. Oktober von der Nationalversammlung ratifiziert wurde. Als ein unangenehmer Umstand wurde neben dem Verlust von Südtirol und des Sudetenlandes das Anschlussverbot gesehen.

Renner blieb nach seinem - nicht ganz freiwilligen - Rücktritt als 1. Nationalratspräsident 1933 untätig und nutzte seine Position nicht. Der ehemalige 3. Nationalratspräsident, der Deutschnationale Straffner, berief am 9. März für den 15. März den Nationalrat ein. Die Bundesregierung unter Dollfuß qualifizierte diese Einberufung als der Verfassung widersprechend und kündigte an, „einer drohenden Verfassungsbeugung entgegenzuwirken“. 200 Kriminalbeamte, die von der Regierung dort hingeschickt wurden, hinderten daraufhin die sozialdemokratischen und großdeutschen Abgeordneten, die sich am 15. März zur Sitzung versammeln wollten, am Betreten des Sitzungssaales.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 gab Renner dem „Neuen Wiener Tagblatt“ ein Interview, das am 3. April 1938 erschien. In dem Beitrag mit dem Titel „Ich stimme mit Ja“ distanzierte er sich zwar von den Methoden, mit denen der Anschluss erfolgte, erklärte jedoch:

"Trotzdem habe ich seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt. Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles. Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. (...) Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen."

Renners Verhalten wurde später oft auch damit zu erklären versucht, dass er mit dieser Erklärung den damaligen Zentralsekretär der Sozialdemokratischen Partei, Robert Danneberg, der mit anderen prominenten Österreichern am 1. April 1938 in das KZ Dachau gebracht worden war, schützen wollte.

Renner verbrachte die Zeit der NS-Herrschaft unter Hausarrest. Dieser Hausarrest war von den Nationalsozialisten sehr großzügig bemessen worden. Auch war ihm das Schreiben weiterhin erlaubt, er verfasste „Das Weltbild der Moderne“.

Die Weigerung der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES) mit anderen österreichischen Exilgruppierungen zusammen zu arbeiten hatte zur Folge, dass es während des Krieges zu keiner Konstituierung einer österreichischen Auslandsvertretung bzw. Exilregierung kam und mit Kriegsende ein politischer Freiraum in Österreich existierte. Diesen Freiraum wollte die Sowjetregierung so bald als möglich zur Bildung einer ihr genehmen Regierung nutzen. Mit dem Auftrag zur Suche nach Karl Renner unmittelbar nach dem Einmarsch der ersten Rotarmisten in Österreich, setzte Stalin erste Schritte in diese Richtung.

Am 4. April meldete das Kommando der 103. Gardeschützendivision, dass sich der gesuchte Karl Renner im Raum Gloggnitz aus eigenem Antrieb gemeldet und sich bezüglich einer Regierungsbildung zur Verfügung gestellt hatte. Die Sowjets nahmen nach Rücksprache im Kreml sein Angebot zu Mithilfe an und wiesen ihm als Sitz das Schloss Eichbüchl bei Wr. Neustadt zu, wo er gemäß Scheltow seine Vorschläge bezüglich einer Regierungsbildung zu Papier bringen sollte.

Am 26. September 1945 stand auf einer Länderkonferenz noch einmal alles auf des Messers Schneide, die Konferenz stand knapp vor dem Abbruch. Es war dann der sozialdemokratische Bürgermeister von Linz, Koref, der jenen Kompromissvorschlag einbrachte, der schließlich auch von der KPÖ angenommen wurde. Der Weg für bundesweite, freie Wahlen war nun geebnet. Sie brachten am 25. November 1945 die absolute Mandatsmehrheit für die ÖVP (48 % der Stimmen, absolute Mehrheit bei den Mandaten). Die USA und Großbritannien zeigten sich bezüglich des Wahlergebnisses erfreut und zögerten auch nicht mit der Anerkennung des Konzentrationskabinetts Figl. Mit dieser Wahl wurde der Grundstein für den „Sonderfall“ Österreich gelegt, ein Status, der dem Land bereits 1955 die volle Souveränität brachte. Karl Renner wurde am 20. Dezember 1945 durch die Bundesversammlung zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik gewählt und blieb dies bis zu seinem Tod am 31. Dezember 1950.